Dass es Cyberpunk 2077 verteufelt schwer haben würde, mit dem Hype mitzuhalten, war von Anfang an klar. Kaum ein Spiel hat in den letzten zehn Jahren mehr Vorschusslorbeeren erhalten. Vielleicht noch No Man’s Sky – und wie das (zumindest beim Release) endete, muss man niemandem erzählen.
Jetzt ist das neueste Werk von CD Projekt Red nach langer Wartezeit also endlich da – und fast wünscht man sich, es wäre nicht so. Denn das Cyberpunk, das wir gekriegt haben, hat mit dem, das uns versprochen wurde, nicht allzu viel gemeinsam.
Dabei sind die Ansätze durchaus vorhanden. Die Atmosphäre ist stimmig, die Feuergefechte unterhaltsam, die Optik – einen leistungsstarken PC vorausgesetzt – umwerfend. Und die Story versteht es, den Spieler mitzureissen, und lässt ihn auch nicht wieder los, wen er erst einmal darin verfangen ist.
You feel lucky, (cyber)punk?
An guten Intentionen und vielversprechenden Ansätzen mangelt es Cyberpunk 2077 also definitiv nicht. Aber das Endprodukt, das beim Spieler ankommt, ist so unfertig, so roh und unbehauen, dass der Frust überwiegt. Zumindest bei mir nach rund 15 Spielstunden.
Da wäre zunächst einmal die Atmosphäre – einer der grössten Plus-Punkte der Witcher-Reihe. Und auch Night City zieht mich als Spieler in seinen Bann. Allerdings nur so lange, bis mal wieder ein Baum durch die Gebäudetexturen ploppt. Oder ein Auto durch den Boden glitcht.
Besonders ärgerlich etwa: Auf der Flucht vor einer feindlichen Bande haste ich durch enge Gassen und remple dabei Passanten an. Einer davon flucht mir hinterher – und ich entschliesse mich spontan, ihm das mit einer Kugel in den Kopf zu vergelten. Bloss: Kaum habe ich kehrtgemacht, ist der Bursche verschwunden. Und mit ihm alle anderen auch.
Das ist nur eines von vielen Beispielen für die Fälle, in denen sich Cyberpunk 2077 selbst seine mühsam aufgebaute Atmosphäre zunichtemacht. Boss-Gegner bleiben im Boden stecken oder verweigern den Angriff. Besonders schlimm: Der tragische Tod eines wichtigen Charakters wird ungewollt lächerlich, als er plötzlich aus dem Autodach glitcht.
Go ahead – make my day.
Und eine ganz besondere Schwäche: Das Spiel verfügt über keine KI für seinen Auto-Verkehr. Auch, wenn ich mir ein langwieriges Feuergefecht mit der Polizei liefere – sobald Protagonist V in einem Auto sitzt, sind die Sicherheitskräfte ratlos. Für eine Verfolgungsjagd sind sie nämlich nicht programmiert.
Es sind solche Design-Entscheidungen, die das Spielerlebnis in Cyberpunk 2077 ganz entscheidend schwächen. Dabei wäre das Potenzial, wie eingangs erwähnt, enorm. Denn stimmungsvoll ist Night City allemal, und es macht unheimlich Laune, durch die Gassen und Hinterhöfe zu streifen.
Aber nach der langen Produktionszeit ist von CD Projekt Red einfach mehr Feinschliff zu erwarten gewesen. Die Grafik-Glitches, die gelegentlich hirntote KI, die (seltenen) quest-zerstörenden Bugs – das dürfte nicht passieren. Die Fans hätten da wohl lieber noch ein paar Monate auf Cyberpunk 2077 gewartet.
Fazit: Es ist immer eine Enttäuschung, wenn ein Spiel die Erwartungen nicht erfüllt. Dass diese an Cyberpunk 2077 geradezu unerreichbar hoch waren, tut nichts zur Sache – denn Night City bleibt zu weit dahinter zurück. Es fehlt der Feinschliff, den man von einem Spiel dieser Kategorie erwarten dürfen muss.
Zum Glück ist sich CD Projekt Red dieser Fehler bewusst. In naher Zukunft ist mit Patches und Fixes am laufenden Band zu rechnen. Ein paar grundlegende Schwächen – wie etwa die fehlende Fahrzeug-KI – wird man aber nicht ausmerzen können. Darunter wird die Atmosphäre wohl immer ein wenig leiden.