Starfield macht vieles gut, aber nichts wirklich richtig

Sechs Jahre nach der Ankündigung ist es also endlich soweit: Starfield ist da, und wir können in die erste neue Bethesda-Welt seit 25 Jahren eintauchen. Was niemanden überraschen dürfte: Es ist eine riesige Welt, ein gigantisches Universum – und genau darüber stolpert Starfield am Ende. Denn obwohl das neue Weltraum-RPG zweifellos zu den Top-Games des Jahres gehört, bleibt vor allem das Gefühl zurück, dass hier viel Potenzial verschenkt wurde.

Denn das Potenzial ist zweifellos vorhanden – und an allen Ecken und Enden ist erkennbar, wie gross es gewesen wäre. Die Welt von Starfield ist atmosphärisch einfach eine Wucht, vor allem in den Innenräumen von Schiffen und Raumstationen. Hier wird die Stil-Vision, die man bei Bethesda als “NASA-Punk” bezeichnet, am deutlichsten sichtbar: Die Schiffe wirken funktional und glaubwürdig, sind schnörkellos und greifbar. Das Gleiche gilt für die Raumanzüge, die euer Charakter und eure Begleiter für einen grossen Teil der Spielzeit tragen werden.

“Nur eine tote Krabbe ist eine gute Krabbe.”

Aber die Begleiter sind auch schon das Stichwort für eine der grossen Schwächen von Starfield: Die Gefährten, die euch das Spiel an die Hand gibt – genau genommen regelrecht entgegenwirft – bleiben trotz der hervorragenden Sprecher weitgehend blass. Das liegt zum einen an der hölzernen Mimik, die euren CPU-Kameraden viel von ihrer Glaubwürdigkeit nimmt, und zum anderen an den bestenfalls durchschnittlich geschriebenen Dialogen. Das grosse Mysterium, das die Handlung vorantreiben soll, bleibt auch deshalb nur eine Randnotiz.

Die Begleiter sind Bethesda-typisch mehr Werkzeug als wirkliche Charaktere.

Wer sich mit den Bethesda-Spielen der letzten zwölf Jahre beschäftigt hat, wird davon nicht überrascht sein. Sowohl in Fallout 4 als auch in Skyrim war die Haupthandlung stets eher ein Alibi als ein tatsächlich mitreissendes Erlebnis. Habt ihr damit kein Problem, dann werdet ihr euch auch in der Welt von Starfield zurechtfinden, denn an die Hand genommen werdet ihr selbst in der kurzen Tutorial-Mission kaum. Ihr solltet gut darin sein, eure eigenen Geschichten zusammenzustellen – sonst könnte der Weltraum-Spielplatz schnell langweilig werden.

Aber wer damit zufrieden ist, von einer Nebenquest in die nächste zu stolpern, der wird mit Starfield durchaus seinen Spass haben. Denn das Kern-Gameplay ist gelungen: Die Schiessereien – und davon kommen einige auf euch zu – machen Laune, die Weltraum-Gefechte sind effektvoll und machen nicht nur den Augen, sondern auch den Ohren Spass. Als ungezwungene Weltraum-Ballerei, sowohl zu Fuss als auch im Cockpit, macht Bethesdas neuestes RPG seine Sache wirklich gut.

Packende Gefechte in engen, dunklen Raumschiffen kann Starfield richtig gut.

Allerdings müsst ihr auch dazu bereit sein, nicht immer ganz so genau hinzusehen – denn vieles wiederholt sich rasch. Ihr werdet immer wieder über die gleichen Aussenposten, verlassenen Biolabore und Bergbau-Operationen stolpern, euch immer wieder durch schlauchige Raumstationen schiessen. Das macht für ein oder zwei Stunden durchaus Laune, danach empfiehlt sich aber eine kurze Atempause, sonst kommt rasch Langeweile auf.

Genau hier ist bei Starfield der Weltraum-Hund begraben: Die enorme Grösse ist in Wirklichkeit vor allem eins – eine Fassade. So grossartig die handgebauten Schauplätze sind, so lieblos und unglaubwürdig wirken die prozedural generierten Abschnitte des Spiels. Da hätte es dem Spiel sicherlich nicht geschadet, sich auf weniger Planeten und Asteroiden, dafür mehr Handgefertigtes zu konzentrieren.

Eine ferne Baustelle auf einem fremden Planeten – solche Elemente findet ihr öfter.

Und dann ist da noch der Rollenspiel-Aspekt – denn eigentlich ist Starfield ja kein Shooter, sondern ein RPG. Und mit dem neuen Talent-System steckt hier durchaus eine Stärke drin: Euer Charakter ist kein Alleskönner, sondern startet je nach euren Entscheidungen bei der Erstellung mit Stärken und Schwächen. Wer nicht explizit die entsprechenden Talente wählt, beisst sich an vielen Schlössern zunächst die Zähne aus, und Taschendiebstahl will ebenfalls erlernt sein.

Allerdings fällt auch das RPG-Element – wie so vieles – unausgereift aus. In den Dialogen wirkt sich eure Charakter-Erstellung kaum aus, und das Überreden-Minispiel erinnert an die Zeiten von Oblivion. Wer auf Entscheidungsfreiheit und charakter-getriebenes Storytelling gehofft hat, sollte lieber zu Baldur’s Gate 3 greifen. Starfield spielt euch vor, ein RPG zu sein, ist letztlich aber eher ein Shooter mit RPG-Bauklötzchen.

Schönes Detail: Aus der Aussenansicht seht ihr durch die Cockpit-Fenster eure Crew.

Apropos Bauklötzchen: Die sind fast das eigentliche Highlight des Spiels – denn sowohl das Bauen eigener Schiffe als auch Aussenposten auf fremden Welten gehen nach kurzer Eingewöhnung souverän von der Hand und machen auch langfristig Laune. Ganz so ausgeklügelt wie etwa Space Engineers ist es aber nicht.

Und damit ist das grobe Fazit zu Starfield eigentlich schon vorweggenommen: Es macht vieles gut oder zumindest nicht schlecht, aber nichts wirklich richtig. Es ist weniger Rollenspiel als Baldur’s Gate 3, weniger Weltraum-Erkundung als No Man’s Sky, weniger Space-Simulation als Star Citizen, weniger atmosphärisch als Skyrim oder Fallout 4. Wenn ihr euch 2023 zwei Spiele kauft, dann darf Starfield gerne eins davon sein. Wenn ihr euch aber nur eines kauft, dann greift lieber zu Baldur’s Gate 3.

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