Project CARS 3

Die Lücke, die gar nicht existiert

Formel-1-Legende Ayrton Senna tätigte einmal den berühmten Ausspruch: “Wenn du nicht mehr eine Lücke nutzt, die existiert, bist du kein Rennfahrer mehr.” Diesen Ratschlag dürfte man bei Slightly Mad Studios ein bisschen missverstanden haben, als es an die Entwicklung von Project CARS 3 ging.

Soviel vorweg: Kaum ein Simracing-Franchise ist so kontrovers wie die Project-CARS-Reihe. Der erste Titel überraschte mit seiner für damals atemberaubenden Grafik, enttäuschte aber in Sachen Fahrverhalten vor allem jene, die die Versprechungen von Slightly Mad Studios im Crowdfunding, man wolle das Simracing-Genre revolutionieren, für bare Münze genommen hatten. Der zweite Teil setzte hier zwar an, blieb aber hinter den erneut hohen Erwartungen an die Fahrphysik ein weiteres Mal ein wenig zurück.

Entsprechend gross war die Vorfreude, als Slightly Mad Studios (mittlerweile unter dem Dach von Codemasters) die Ankunft eines dritten Serienteils verkündete. Man wolle ganz neue Wege beschreiten, die Dinge noch besser machen und zahlreiche neue Features implementieren.

Rückwärtsgang eingelegt?

Zwei dieser drei Aspekte haben sich die Entwickler wirklich zu Herzen genommen. Im Vergleich zu seinen Vorgängern verfügt Project CARS 3 tatsächlich über eine Vielzahl neuer Features und geht, in vielerlei Hinsicht, neue Wege, wenngleich nur innerhalb der Serie, nicht wirklich innerhalb des Genres. Unglücklicherweise macht Project CARS 3 nicht vieles besser als sein Vorgänger.

Ein Screenshot aus Project CARS 3. Grafisch ist der dritte Serienteil ein kleiner Rückschritt.

Das fängt schon bei der Grafik an, die bisher stets das herausragende Element der Project-CARS-Reihe war. Obwohl der zweite Serienteil mittlerweile drei Jahre alt ist, sieht er immer noch fantastisch aus. Die Wettereffekte gehören zum Besten, was die Rennspiel-Welt zu bieten hat, die dynamischen Tag- und Nachtwechsel sind schlichtweg atemberaubend. Aus völlig unverständlichen Gründen macht der Nachfolger in diesem Punkt einen Schritt rückwärts. Die Lichteffekte wirken mager, die Fahrzeugmodelle scheinen ein paar Polygone abgespeckt zu haben.

Auch beim Fahrverhalten selbst legt der neueste Ableger der Serie den Rückwärtsgang ein. Warum selbst High-End-Renner mit dermassen wenig Bodenhaftung um die Ecke driften, erschliesst sich nicht einmal Ken Block. Die Steuerung ist schwammig und klar auf Gamepads ausgerichtet – mit dem Lenkrad ist man hier tatsächlich schlechter bedient. Aber auch mit dem Controller fühlt man sich selten wirklich heimisch im Cockpit der ansehnlichen Fahrzeug-Auswahl. Zumal sich viele der Rennmaschinen – obgleich völlig unterschiedlich konzipiert – recht ähnlich anfühlen.

Project CARS 3 im direkten Vergleich mit seinem Vorgänger.

In die falsche Richtung abgebogen

Und für all jene, die sich im dritten Project-CARS-Spiel endlich die erhoffte Simracing-Revolution gewünscht haben, gerät das Spiel zur herben Enttäuschung. Schon vor dem Release sorgte die Ankündigung, man werde auf Reifenabnutzung, Spritverbrauch und (konsequenterweise) Boxenstopps verzichten, für heftige Kritik. In der Praxis macht diese Design-Entscheidung selbst längere Rennen schnell eintönig, weil strategisches Denken, reifenschonendes und spritsparendes Fahren nicht belohnt werden. Wo der Vorgänger noch gerade mit den Langstreckenrennen punkten konnte, wirft Project CARS 3 diese Tugenden nicht nur über Bord, sondern kettet sie auch noch an einen Anker, um sicherzustellen, dass sie nicht einmal im Ansatz wieder auftauchen können.

Ein Screenshot aus Project CARS 3
Die Gegner in Project CARS 3 haben für Konsistenz nicht viel übrig.

Apropos über Bord werfen: Das könnte man eigentlich auch mit der Gegner-KI machen. Denn während auch in den Vorgängern die virtuellen Konkurrenten meist keine Lewis Hamiltons, Michael Schumachers oder Ayrton Sennas waren, sind sie im neuesten Serienableger geradezu frustrierend. Zum einen scheint den Polygon-Piloten jegliche periphere Wahrnehmung zu fehlen – denn schockierend oft wird man mitten auf der Geraden plötzlich touchiert, gedreht, abgedrängt und so weiter. Hinzu kommt die Inkonsistenz, unter denen die Konkurrenz leidet – in manchen Rennen sind sie selbst auf der höchsten Schwierigkeitsstufe meilenweit zurück, in anderen plötzlich fast uneinholbar. Erkennbare Gründe gibt es dafür keine.

Bleibt die Frage: Was macht Project CARS 3 eigentlich gut? Mehr, als es die bisherige Aufzählung vermuten liesse, soviel steht fest. Als Arcade-Racer für zwischendurch taugt der dritte Serien-Ableger allemal – auch, weil das neue Tuning-System einiges an Freiheiten erlaubt, um die eigenen Karossen in Sachen Leistung anzupassen und gegen eine Vielzahl von Fahrzeugen aus der imposant bestückten Garage anzutreten.

Die Momente, in denen Project CARS 3 glänzt – bei Abenddämmerung etwa.

Leider fehlt auch beim Tuning ein ganz wesentlicher Punkt – nämlich die Optik. Zwar lassen sich die Autos (in vorgegebenen Slots) mit Sponsor-Aufklebern verzieren, verglichen mit den beeindruckenden Lackierungs-Editoren der direkten Konkurrenz (Forza Motorsport und Forza Horizon) fühlt sich Project CARS 3 aber an wie ein Renault Clio in einem Feld von GT3-Rennern. Zudem fehlt optisches Tuning – wie etwa neue Heckflügel et cetera – komplett, wenn man von den vordefinierten Rennumbauten einmal absieht.

Zur Ehrenrettung von Project CARS 3 sei gesagt: Es ist ein grundsolider Arcade-Racer, der sicherlich ein paar Stunden lang unterhaltsam sein kann, vor allem im Multiplayer, wenn dank der Tuning-Funktion klassische GT-Renner auf moderne Tourenwagen treffen und dabei noch annähernd vergleichbar sind. Und auch der Karrieremodus ist dank der klassischen “Oh, neues Auto – muss tunen – muss fahren – oh, neues Auto”-Spirale eine Zeitlang unterhaltsam.

Ja, mit Project CARS 3 kann man auch Spass haben.

Trotzdem bleibt Project CARS 3 ein Spiel wie eine Identitätskrise: Gefangen irgendwo zwischen zwei Welten, ohne aber von beiden auch nur im Ansatz das Beste bieten zu können – und dann auch noch ein eigentlich unnötiges Spiel geworden. Denn Project CARS 2 hätte noch keine Fortsetzung gebraucht, schon gar nicht eine solche. Der Vorgänger hat den schwierigen Spagat zwischen Einsteigerfreundlichkeit und Simulationsanspruch erstaunlich gut gemeistert, dazu noch mit seiner atemberaubenden Grafik geglänzt. Der Nachfolger will in eine neue Richtung driften und neue Konkurrenten abdrängen, rutscht dabei aber ins Kiesbett unerfüllter Versprechen und unausgegorener Design-Entscheidungen.

Fazit: Project CARS 3 missversteht die Weisheit von Ayrton Senna zum Thema Lücken und Rennfahrer – denn Slightly Mad Studios versucht, in eine Lücke hineinzustechen, obwohl sie gar nicht existiert. Denn just dort, wo sich Project CARS 3 zu etablieren versucht, gibt es bereits reichlich Konkurrenz. Wer einen zugänglichen Simracing-Titel mit toller Fahrzeugauswahl, reichlich Strecken und starker Grafik sucht, sollte zum Vorgänger greifen. Wer Simcade, aber mit Boxenstrategie und besserem Tuning sucht, wird bei Forza Motorsport 7 fündig. Selbst im praktisch gleichen Genre – Fun-Arcade-Racer mit Realismus-Flair – gibt es mit GRID bereits einen etablierten Kontrahenten. Und die wahren Simracing-Puristen hat Slightly Mad Studios mit der neuen Design-Richtung ohnehin vergrault.

Was übrig bleibt, ist ein Spiel, das nirgendwo so recht hinpassen will. Project CARS 3 glänzt mit seiner enormen Fahrzeug-Auswahl und einer umfangreichen Streckenvielfalt – bietet dabei aber kaum mehr als der sehr gute Vorgänger. Wer einen Casual Racer für die abendliche halbe Stunde seichter Unterhaltung sucht, wird hier fündig – alle anderen sollten auf den nächsten Steam Sale warten.

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